Der "offene Samstag"
war
Ein offenes Angebot der Evang. Kirchengemeinde in Ditzingen
geleitet von Dipl.
soz. päd. Dagmar Hauer
Allgemein:
Der offene Samstag in Ditzingen war ein 14-tägiges Angebot für
Jugendliche im Evang. Gemeindehaus von 18:00 bis 22:00 Uhr. An den Abenden
erschienen zwischen 20 und 60 Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren.
Das Angebot verteilte sich auf drei Stockwerke und in vier
Räume, in denen Tischtennis gespielt werden konnte, Musik gehört, Tee
getrunken, gebastelt werden und Gespräche angeboten wurden.
Von Dezember 1979 wurde mit einer 15 minütigen Andacht versucht
jugendliche Besucher anzusprechen und persönliche Hilfestellung zu geben.
Tischtennisraum:
Der Tischtennisraum befand sich neben dem Hauseingang im
Erdgeschoß und bot eine gute Möglichkeit zur Kontaktaufnahme und zur
körperlichen Betätigung. Viele Jugendliche (vermehrt ausländische) hielten
sich dort auf.
Teestube:
Eine größere Kontaktschwellestellte die Teestube im 1. Stock
dar. Neben verschiedenen Teesorten, welche kostenlos ausgeschenkt wurden, wurden
auch Kuchen, Brezeln und Pizza (zum Selbstkostenpreis) angeboten.
Hier war die Atmosphäre persönlich und erforderte die Bereitschaft und
Fähigkeit, sich mit anderen an einen Tisch zu setzen.
Außer Gesprächen, Karten- und Brettspielen kam es auch zu spontanen
Singaktionen, da eine Gitarre immer zur Verfügung stand.
Bastelraum:
Das Bastel- und das Gesprächsangebot über aktuelle
Themensollte die Teilnehmer aus der Konsumentenrolle herausführen. Dabei waren
die Mädchen mehr aktiv als die Jungen. Sie mussten oft gegenüber Störaktionen
einzelner Jugendlicher in Schutz genommen werden. Dies traf auch für die
Andacht zu, die von einem Mitarbeiter vorbereitet und durchgeführt wurde. In
allen Räumen wurde auf dieses Angebot hingewiesen und dazu eingeladen.
Dies erforderte von den Mitarbeitern Mut, ein großes Durchhaltevermögen und
eine geistliche Unterstützung durch einen Biebelkreis. Die Andacht wurde als
Impuls zum Kennenlernen und zur Auseinandersetzung mit der biblischen Botschaft
verstanden.
Musikraum:
Der Musikraum im 2. Stock war besonders beliebt und belagert.
Vielleicht lag es an der Lautstärke der Musik, die Jugendliche anzieht und die
sie in dieser Weise zu Hause nicht hören können.
Für diesen Raum war ein Mitarbeiter verantwortlich. Hier wurden Kontakte unter
den Jugendlichen beim Tanzen vertieft, Zärtlichkeiten ausgetauscht und
Freundschaften erlebt. Dadurch, daß das "Schmusen" nicht unterdrückt
wurde, hatten die Mitarbeiter die Möglichkeit, mit den Jugendlichen über ihre
Freundschaften und ihre Sexualität zu reden, ohne diese in Heimlichkeit
abzudrängen.
Problembereiche:
Die Besucher waren sehr unterschiedlich. Drei Gruppen hatten
sich mit der Zeit herauskristallisiert.
Eine Gruppe bestand hauptsächlich aus realschülern der 9. Klasse. Sie kamen
zusammen, um sich zu treffen. Sie waren ausgelassen und suchten den Kontakt
unter ihresgleichen. Sie waren auch für eine Mitarbeit zu gewinnen.
Eine andereGruppe setzte sich aus Jugendlichen zusammen, die es nötig fanden,
ihre Stärke zu demonstrierenund häufig Konflikte zu provozieren. Nur in
persönlichen Einzelgesprächen konnten ihre Verhaltensweisen aufgefangen, aber
viel zu wenig verarbeitet werden. Meistens setzten sie sich mit der dritten
Gruppe auseinander.
Dies waren ca. 15 ausländische Jugendliche, die regelmäßig erschienen. Es
hatte lange gedauert, bis sie nach vielen Schwierigkeiten aufgenommen wurden.
Ein weiteres Problemfeld war das Rauchen. Nicht von allen
Jugendlichen wurde die Abmachung getragen, in zwei Räumen nicht zu rauchen. Ein
absolutes Rauchverbothätte die Jugendlichen auf die Straße gezwungenund so zu
einer größeren Lärmbelästigung der Nachbarn geführt. Auch bot sich den
Mitarbeitrn die Chance, mit den Jugendlichen über deren Suchtverhalten zu
reden.
Es wurden immer wieder Versuche unternommen, die Jugendlichen
zur Mithilfe anzuregen. Nur wenige und meistens immer dieselben
Jugendlichenwaren zu einer Mitarbeit bereit.
Die Unverbindlichkeit des Angebotes schloß ein ständiges Kommen und Gehen ein
und erschwerte ein längeres Engagement. Die Mitarbeiter waren immer wieder
bemüht, Jugendliche in die Gestaltung und Verantwortung mit einzubeziehen, wenn
sie nicht Gefahr laufen wollten, von ihnen ausgenutzt zu werden.
Das Verhalten mancher Jugendlichen führte immer wieder zu Schwierigkeiten. Aus
der offenen Getränkekasse wurde zwar selten etwas entnommen, dafür wurde oft
das Getränk nicht bezahlt. Türen und Tische wurden in Mitleidenschaft gezogen,
Lebensmittel beim Backen zerstört -- Aggression und Gedankenlosigkeit werden
durch unseren Wohlstand begünstigt.
Gesamteinschätzung:
Da der "offene Samstag" über diesen längeren
Zeitraum aufrecht erhalten werden konnte, entstand für viele Jugendliche ein
wichtiger Treffpunkt. Sie hatten hier eine alternative Freizeitgestaltung
gefunden und fühlten sich auch sehr wohl.
Der "offene Samstag" hatte sich zu einer sinnvollen
freizeiteinrichtung entwickelt, in dem Jugendliche einen Freiraum zur Verfügung
hatten, der ihnen eine gute Beziehung zur evangelischen Kirchengemeinde
vermitteln konnte. Von der Glaubwürdigkeit und Gesprächsbereitschaft der
Mitarbeiter hängt es ab, ob Jugendliche, die sonst nicht in der örtlichen
Jugendarbeit integriert sind, ein Verhältnis zum Glauben und zur Gemeinde
finden können.
Jugendliche können nicht nur angesprochen werden, sondern auch über einen
längeren Zeitraumbegleitet und in persönlichen Fragen beraten werden. Dies ist
allerdings nur möglich, wenn ehrenamtliche Mitarbeiter sich für diese wichtige
Aufgabe bereitfinden und einsetzen. regelmäßige Anwesenheit der Mitarbeiter
schuf eine vertraute Atmosphäre im "offenen Samstag".
Eine Begleitung der ehrenamtlichen Mitarbeitr durch einen hauptamtlichen
Mitarbeiter ist unbedingt erforderlich und hatte in manchem Konfliktfall
wesentlich weitergeholfen.
Ich würde gerne ein Treffen organisieren, an dem sich alle die
den "Offenen" gut fanden einmal wiedersehen können.
Bei Interesse bitte
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